Eine einfache Rechnung:
Beispiel 1: Mit 50 € könnte man zum einen die Schulgebühren einer günstigen Schule für ein Kind für ein Term (4 Monate) übernehmen. Was hat man damit erreicht? Das Kind kann 4 Monate lang in die Schule gehen. Aber was passiert nach den 4 Monaten? Man muss erneut Geld schicken oder einen anderen Spender finden. Wenn dies klappt und man z.B. 10 Jahre lang die Schulgebühren auf diese Weise finanzieren kann, ist das für das Kind eine gute Sache, kostet aber 3 x 50 x 10 = 1500 €. Und die Mutter? Sie ist weiterhin ohne Job, ohne Einkommen, abhängig von anderen, hat vielleicht noch mehr Kinder, die in die Schule sollten, etc.
Beispiel 2: Mit 50 € könnte man aber auch einen Mikrokredit an die Mutter vergeben, wenn diese bereits eine Business-Idee hat. Sie ist arm und abhängig von anderen. Sie hatte noch nie die Chance auf einen Kredit. Sie wird daher alles dafür geben, diese Chance zu nutzen und sich aus der Abhängigkeit zu befreien. Nach ihrem ersten Mikrokredit spürt sie schon die ersten Verbesserungen, kann z.B. genug Lebensmittel, Gewürze, Hygieneartikel kaufen. Sie bezahlt das Geld zurück und nimmt irgendwann einen neuen Kredit, vielleicht etwas höher. Schritt für Schritt verbessern sich ihre Lebensbedingungen und sie ist in der Lage, die Schulgebühren für alle Kinder zu bezahlen. Und nicht alleine das, auch ihr Selbstwertgefühl hat sich gestärkt, sie glaubt wieder an sich selber, sie ist stolz auf das, was sie erreicht hat und sie ist gerüstet für die Zukunft ohne die Abhängigkeit von anderen. Und was hat es gekostet? Unterm Strich 0 € (wenn man Ausgaben wie z.B. Transportkosten vernachlässigt), denn das Geld kommt immer wieder zurück und kann erneut vergeben werden.
Und wieviel Kredite könnten mit 1500 € in 10 Jahren vergeben werden? 30 Kredite a 50 € gleichzeitig - bei einer geschätzten Laufzeit von ca. 6-8 Monaten wären dies insgesamt in 10 Jahren 450-600 Kredite a 50 € mit einem Gesamtwert von 22.500-30.000 €.
Gegenstimmen werden nun fragen: Was, wenn die Frauen nicht zurückbezahlen?
Wir haben bisher eine Rückzahlquote von ca. 98%, d.h. die meisten Kredite werden zurückbezahlt und bringen positive Veränderungen mit sich. Und wenn es zwischenzeitlich vorkommt, dass es mal nicht klappt? Was haben wir dann verloren? Nichts, denn erfahrungsgemäß setzen die Frauen das Geld für die Familie ein, d.h. für Schulgebühren, Essen, Kleidung, etc.
D.h. wir hätten nicht mehr und nicht weniger erreicht als im ersten Beispiel. Mit dem großen Unterschied, dass es in den meisten Fällen funktioniert und wir dadurch mit dem gleichen Betrag eine sehr viel höhere Anzahl an Familien unterstützen können mit nachhaltiger Wirkung.
Die positiven Effekte der Mikrokredite:
- Mikrokredite geben Menschen, die sonst keinen Zugang zu den Finanzmärkten haben und unter der Armutsgrenze leben, die Chance, sich eine kleine Existenz aufzubauen und selbst aus der Armut zu befreien
- Mikrokredite sind Hilfe zur Selbsthilfe und können langfristige Verbesserungen im Leben der Betroffenen hervorrufen
- Das Einkommen der Kreditnehmer erhöht sich und damit verbessert sich auch der Bildungs- und Gesundheitsstandard
- Die Kreditnehmer haben die Möglichkeit auf ein selbst bestimmtes Leben
- Die Kinder der Kreditnehmer können häufiger regelmäßig die Schule besuchen
- Frauen, die Mikrokredite aufnehmen werden selbstbewusster und unabhängiger => Empowerment der Frauen
- Der finanzielle Aufwand ist geringer als bei anderen Arten der Entwicklungshilfe und der Effekt nachhaltiger
Dambisa Moyo:
Dambisa Moyo ist Autorin des Buches "Dead Aid - Warum Entwicklungshilfe nicht funktioniert und was Afrika besser machen kann". Sie wurde 1970 in Sambia geboren, hat in Harvard studiert und in Oxford promoviert und arbeitete anschließend für die Investmentbank Goldman Sachs und die Weltbank. Von der New York Times wurde sie als eine der 100 einflußreichsten Personen der Welt benannt.
In ihrem sehr empfehlenswerten Buch beschreibt sie knallhart, aber nachvollziehbar und logisch, warum Entwicklungshilfe für Afrika ein Desaster ist und offenbart die Gründe für das ökonomische Scheitern des afrikanischen Kontinents. Im zweiten Teil bietet sie klare Lösungsansätze für eine Welt ohne Entwicklungshilfe. Dazu gehören z.B. ausländische Direktinvestitionen und Mikrokredite. Sie sagt: "Wir Afrikaner sind keine Kinder". Sie ruft dazu auf, Mikrokredite flächendeckend anzubieten und Kleinunternehmern Geld zu "leihen". Geld zu verschenken raubt den Menschen ihre Würde und würde das trügerische Gefühl vermitteln, dass Geld vom Himmel fällt.